Wenn der innere Schweinehund vor der Tür steht
Ich war schon immer ein Mensch, der sich eigentlich recht schnell für Dinge begeistern ließ:
sei es ein neuer Job, Freizeitaktivitäten, Sport oder Urlaube – wenn man mich erst einmal überzeugen konnte, war ich voller Enthusiasmus dabei.
Doch wenn erst mal Routine oder Alltag ins Spiel kamen, verflog der anfängliche Enthusiasmus recht schnell und damit meist auch meine Motivation.
Mit Dingen wie der Arbeit, mit der man seine Brötchen verdient, oder sozialen Kontakten kann man natürlich schlecht einfach aufhören. Das Erste also, das regelmäßig unter meinen Motivationsschwierigkeiten zu leiden hatte, war mein Körper: Ich hörte auf, Sport zu machen.
Mein Problem war nicht die anfängliche Motivation an sich, sondern eher die Unfähigkeit, mich langfristig zu motivieren.
Trainigspartner, Freunde oder auch Coaches konnten mich zwar immer eine Weile motivieren, aber spätestens, wenn der uns allen bekannte innere Schweinehund auf der Türschwelle stand, schloss ich der Motivation die Tür.
Als Kind war ich nie im Fußballverein, hatte für den Sportunterricht in der Schule genügende Entschuldigungen, um nicht mitzumachen und war eher gemütlich unterwegs. Auch dadurch, dass ich als Kind immer etwas pummelig war, entstand für mich irgendwann das Selbstbild, dass ich eben einfach kein sportlicher Typ sei, schlechte Gene oder kein Talent hätte, ganz nach dem Motto „so isses halt!“.
So hatte ich immer ein Argument zur Hand, die Sache mit dem Sport einfach sein zu lassen.
Das funktionierte ein paar Jahre auch wirklich gut.
Gutes Essen, das Nachtleben Genießen, Wellnesstage, auf der Couch Rumhängen und Seriensuchten sollten mir eigentlich das Gefühl geben, mir etwas Gutes zu tun. Doch ich verlor mehr und mehr die Motivation, überhaupt etwas langfristig durchzuziehen.
Mit nicht mal 30 Jahren musste ich erkennen, dass nicht nur mein Körper außer Form war, sondern auch meine mentale und geistige Belastungsfähigkeit gelitten hatte.
Ich musste mir eingestehen, dass ich etwas falsch gemacht hatte und dass ich schleunigst etwas ändern musste, bevor ich größere Probleme bekommen würde.
Und je ehrlicher ich über mich nachdachte, desto mehr musste ich mir eingestehen, dass mein Aussehen und meine körperliche Verfassung mich störten.
Trotz meiner Unsportlichkeit hatte ich immer einen gewissen Mindestanspruch an mich und meine Figur. Der Blick in den Spiegel sagte jedoch nur:
„Du siehst, fett, unsportlich und verbraucht aus!“
Was mach ich denn jetzt?
Neben meiner gescheiterten Karriere als Schwimmer, American Footballer, Kletterer und Fitnessstudiogänger hatte ich mir über die Jahre immer wieder Bücher über Trainingsmethoden, Philosophien und Sportarten gekauft, die dann genau so im Regal verstaubten wie meine Sportschuhe und Schwimmbrillen.
Mal wieder kramte ich die Bücher mit all den Sportübungen aus und nahm mir vor, mal wieder zu trainieren und mal wieder Sport zu machen.
Doch ich wusste, ich müsste einen Weg finden, dran zu bleiben. Einfach mal drauf Loslegen würde mir nicht schaden, aber wie würde es dann weiter gehen?
Ich fing an, mich mit Menschen in meinem Umfeld über dieses Thema „Sport und Fitness“ zu unterhalten. In Klaus fand ich nicht nur einen Menschen, der an einem ähnlichen Punkt im Leben stand, sondern auch einen hervorragenden Partner zum Philosophieren und, was noch viel wichtiger war, zum Träumen.
Diese Gespräche lenkten meinen Fokus immer mehr auf den mentalen Aspekt von Sport und Training, einen Aspekt, den ich nie wirklich beachtet oder kennengelernt hatte.
Als ehemaliger Philosophiestudent erinnerte ich mich an das, aus der antike stammende, Konzept „Einheit von Körper und Geist“. Einfach gesagt: „ich trainiere meinen Körper und dann wird das mit der guten Laune auch wieder.“
Dadurch dass ich mit Klaus in einer WG lebe, setzten wir uns tagtäglich mit diesem Thema „Sport“ auseinander, stießen auf für die breite Masse unbekannte Randsportarten wie CrossFit oder Olympisches Gewichtheben und irgendwann fiel der Groschen.
Das, was diese Menschen grundlegend von uns unterschied, war vor allem ihre mentale Herangehensweise an ihre sportlichen Ziele. Sie alle hatten dieses eine Ziel vor Augen und dieses eine Ziel so sehr zu einem Teil ihres Denkens und Seins gemacht, dass sie dafür jeden Tag aufs neue aufstehen und hart arbeiten.
Ich sah so viele Dinge, die ich eigentlich schon immer gerne gekonnt hätte, weil ich trotz meiner eigenen Unsportlichkeit schon immer von anderen sportlichen Leistungen fasziniert gewesen war.
Leistungssportler würde ich in diesem Leben wahrscheinlich nicht mehr werden, aber ich brauchte ein Ziel: Etwas, was mir helfen würde im anstehenden Kampf gegen meinen inneren Schweinehund.
Wir sprachen über Klimmzüge, Liegestützen und Sport allgemein und sahen uns dabei mit vielen Fragen konfrontiert: Wie sollen wir überhaupt trainieren? Welche Übungen sind sinnvoll? Inwiefern lässt sich ein Fortschritt erkennen und sind unsere Ziele überhaupt realistisch? Wofür so viele Gedanken und Fragen, macht „einfach loslegen“ nicht mehr Sinn? Bei allem Debattieren und Philosophieren kristallisierte sich jedoch, recht schnell, eine einfache, aber wichtige Erkenntnis heraus: fit werden, bedeutet ja vereinfacht gesagt, versuchen jeden Tag ein bisschen fitter zu sein als am Vortag. Also setzten wir uns das Ziel jeden Tag ein bisschen besser zu sein.
Diesem Ansatz ordneten wir unseren Alltag und unsere persönlichen, beruflichen und sportlichen Ziele, mehr und mehr, unter.
Seitdem sind einige Monate vergangen und wir haben als Kollektiv im THBC viel über uns und unseren inneren Schweinehund gelernt.
Was uns dabei immer begleitet hat, war das Ziel, das wir uns gesetzt hatten: Morgen besser sein als heute!
Mein Körper ist so fit wie noch nie und auch meine mentale Stärke ist besser als je zuvor. Ich habe gelernt mich zu fokussieren, mit Rückschlägen umzugehen, ehrlicher mit mir selbst zu sein.
Wenn ich zurückdenke, fällt mir auf, wie oft ich eigentlich nur Zuschauer war, wenn andere Menschen sportliche Leistungen erbrachten. Wie ich mich nur davon, dass jemand „fit“ aussah, bedroht gefühlt habe. Mittlerweile kann ich mich von solchen Gedanken lösen. So durchtrainiert wie ein Calvin Klein Unterwäschemodel bin ich noch nicht und auch nicht so stark wie ein Strongman, aber ich fühle mich sehr wohl in meiner Haut. Ich kann anderen ihre Physis und sportlichen Leistungen neidlos anerkennen. Ich fühle mich fit, bin ausgelastet und kann viel aktiver und bewusster meinen Alltag bestreiten. Für mich ein großer Gewinn an Lebensqualität.
Ein starker Körper in einem gestärkten Geist.
Ich bin noch immer ein Mensch, der sehr gerne feiern geht, auf der Couch rumhängt und sein Nichtstun in vollen Zügen genießt – und das sogar besser als früher.
Kennt ihr die Frage „Ja wollt ihr denn ewig leben?“? Ich habe das früher in Gesprächen über Sport und Ernährung selbst oft spöttisch gefragt. Die Antwort kann ich mir mittlerweile selbst gegeben:
Meiner Meinung nach geht es nicht um die Quantität der Jahre, sondern um die Qualität.
Mobil sein, eigenständig bleiben und fit zu sein bedeutet Lebensqualität, egal in welchem Alter.
Der Anspruch, jeden Tag besser zu werden, hat bei mir dazu geführt, das mein Leben auch wirklich besser wurde. Das ist es, was mich täglich motiviert weiter zu machen.
Dennoch bleibt es eine ewigwährende Aufgabe, sich jeden Tag neu zu motivieren, aufzustehen, zu trainieren und in jedem Bereich meines Lebens alles zu geben.
Die Angst, in alte Muster zu verfallen, ist zwar weiterhin irgendwo unterbewusst da, aber ich weiß, wie ich damit umgehen kann und gegen meinen inneren Schweinehund ankämpfe.
Durch das „The Honey Badger Collective“ wollen wir diese Aufgabe jeden Tag aufs Neue angehen, zusammen bewältigen und uns darüber austauschen. Unsere Ziele sind gesteckt und eure?


